Neue Kunst in der Praxis
könnte man sagen. Aber der linke Teil dieser Wand hängt da schon seit letztes Jahr und die Geschichte der drei Video-Screens rechts geht auch schon bis in den Winter zurück.
Wer unsere Websites (neben diesem noch www.manmed.de für die Forschung und www.manmedshop.de fürs Kommerzielle) schon mal angesehen hat weiß, dass wir eine große Affinität zu Muybridge haben. Dieser englisch-stämmige Fotograf siedelte sich Ende des 19. Jhds. in Kalifornien an und wurde dort zum Pionier der wissenschaftlichen Auswertung von Bewegungsaufnahmen. Lange vor der Erfindung der Kinematographie stellte er Serienaufnahmen durch nebeneinandergestellte Kameras her, die im Vorbeigehen mittels gespannter Fäden ausgelöst wurden und so Bewegungen dokumentierten. Revolutionär für seine Zeit verwendete er viele fast nakte Modelle, um die Details des Muskelspiels sichtbar zu machen. Seine Werke „The Human Figure in Motion“ und „Animals in Motion“ sind absolute Klassiker und für jeden Fotographie- Begeisterten ein Muß.
Aber fangen wir mal links auf dem Foto an: Das chaotische Pendel stammt aus einem meiner Lieblings- Läden in Zürich, dem AHA; nomen est omen. Man sollte da nur mit doppelt zugenähten Hosentaschen reingehen, denn die meisten käuflichen Dinge sind nicht nur wunderschön, sondern haben auch – heute mehr denn je – ein ’schweizer‘ Preisniveau. Zum Heulen. Manchmal muß man dann halt schwach werden, und dann gilt schon die Maxime des Herrn Gucci „Man hat den Preis längst vergessen, wenn man sich immer noch der Qualität bewußt ist“.
Dies Pendel zeigt wunderschön, wie man selbst bei so einem einfachen Teil, das gerade mal zwei bewegliche Teile hat, die Bewegungsmuster nicht mathematisch beschreiben, geschweige denn berechnen kann. Daher der Name chaotisch. Wenn man sich das verinnerlicht hat wird man hoffentlich etwas bescheidener beim ‚Berechnen‘ von Krankheiten oder Befindlichkeiten unserer Patienten. Wir werfen es den ganzen Tag über immer mal wieder an und freuen uns an den entstehenden Mustern.
Daneben – Neuzugung in unserer Praxis – ein Werk von Ralph Baiker. Ralph ist Fotograph, Schwabe von Herkunft und Hamburger vom Wohnsitz. Als er in Sao Paulo war hat er eine Serie von Muybridge- inspirierten Videos gedreht (Sao Paulo Locomotion), die sich mit dem Karneval beschäftigen und woraus wir diese drei gewählt haben. In der Mitte sieht man Ralph in einem Sambakostüm Pirouetten drehen, links läuft er als Banane verkleidet und rechts mit Bärenkostüm und Leiter auf die Mitte zu.
Hatte mir gleich gut gefallen, mußte nur etwas sparen, bis wir uns das in die Praxis hängen konnten…
Vom gleichen Galeristen (Mirko Mayer) kommt auch dieser vintage- Lichtdruck eines Muybridge- Originals, der der Video-Arbeit gegenüber gehängt ist. die beiden Werke beziehen sich natürlich aufeinander und stellen in einem künstlerisch-technischen Spannungsfeld dar, wie wir uns der Biomechanik und den Beschwerden unserer Patienten zu nähern versuchen.
Man muß immer versuchen, den dingen analytisch auf den Grund zu gehen, aber sich auch dessen bewußt sein, dass solche Analyse immer Stückwerk bleiben muß. Der kanadisch-amerikanische Arzt W. Osler hat das vor über hundert Jahren schon auf den Punkt gebracht:
„Medicine, always fallible and often absurd,
is a science of uncertainity and an art of probability“